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Nachrichten aus der Pirckheimer-Gesellschaft

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Redaktionsschluss 3. April 2006 Wir gratulieren unseren Mitgliedern Neue Mitglieder Zum Tode von Heinz Sarkowski Patrick Graetz gestorben Ein Lesezeichen zum Pirckheimer-Jubiläum Buchkuriosa und Wolfgang Rasch Das Mädchen und der Tod – meine Totentanzsammlung Schönste Bücher 2005 in Berlin Kurt Marholz – ein malender Halle-Chronist »Kuriose Buchformen« Aus der Frühzeit der Pirckheimer-Gesellschaft Adam Friedrich Oeser Der Kulturverleger – ein Phänomen des 20. Jahrhunderts Die Stiftung Buchkunst Die »Leipziger Drucke« des Leipziger Bibliophilen-Abends Papier-Vorträge in der Regionalgruppe Rhein-Main-Neckar Die Graphiksammlung Rudolf Franke in Erfurt Wir gratulieren unseren Mitgliedern. Zum 30. Geburtstag: Sonja Brenneke (Düsseldorf) am 22. 8. Zum 60. Geburtstag: Karl-Heinz Than (Berlin) am 5. 7., Jan-Dirk Missmahl (Aachen) am 26. 8., Steven Schuyler (North Reading, USA) am 10. 9., Bärbel Schmeidler (Neubrandenburg) am 13. 9., Eckhard Wazele (Weingarten) am 15. 9. Zum 65. Geburtstag: Michael Duske (Berlin) am 19. 8., Detlev von Baumgarten (Berlin) am 24. 8., Wilfried Onzea (Mortsel, Belgien) am 1. 9., Konrad Kutt (Berlin) am 9. 9., Theo Neteler (Melle) am 14. 9., Hans Jaeger (Herdecke) am 28. 9. Zum 70. Geburtstag: Peter Seidel (Leipzig) am 19. 7., Horst Priss (Neu-Isenburg) am 24. 7., Herbert Kästner (Leipzig) am 1. 9., Ursula Lang (Beeskow) am 21. 9. Zum 75. Geburtstag: Wilfried Vorbrodt (Quedlinburg) am 6. 7., Erika Schulz (Herrnhut) am 11. 9., Horst Gebauer (Leipzig) am 11. 9. Zum 85. Geburtstag: Eberhard Wolff (Halle/Saale) am 26.9. Neue Mitglieder. Dietmar Edelmann, selbständiger Qualitätsmanager, Eisfeld. Horst Nähring, Antiquar, Rüdersdorf. Helmut Reubelt, Geschäftsführer, Dortmund. Angela Schröder, Künstlerin (Saal-Presse), Zehdenick. Dr. Ellen Sitte, Fachpsychologin der Medizin, Berlin. Zum Tode von Heinz Sarkowski. Er gehörte zu den bekanntesten Buchhistorikern Deutschlands. Die meisten Bücherfreunde kennen seine Bibliographien und seine Geschichte des Insel-Verlages oder haben sie in ihrem Regal stehen. Am 4. Juli 1925 in Waren (Mecklenburg) geboren und danach in Lübeck aufgewachsen, widmete er sein gesamtes berufliches Leben dem Buch. Nach der Lehre in einer Lübecker Buchhandlung und ersten Berufsjahren konnte er 1954 in das Verlagsgeschäft wechseln. Dr. Ernst Hauswedell, S. Fischer, Cotta, Insel, Piper & Co., Holtzbrinck und Springer waren die Stationen seines abwechslungsreichen Berufslebens. Zuletzt war er bis zur Pensionierung 1992 bei dem Wissenschaftsverlag Julius Springer Verlagsdirektor mit Prokura. Diese reichen Erfahrungen mit Herstellung und Vertrieb von Büchern belebten seine Darstellungen zur Verlagsgeschichte. Neben den Insel-Publikationen sind vor allem Bibliographie und Geschichte des Verlages Julius Springer zu nennen. Auch als Herausgeber von buchgeschichtlichen Publikationen hat er sich einen Namen gemacht, so entstanden drei Jahrgänge von Imprimatur unter seine Regie. Sein vielleicht schönstes Buch ist eine Sammlung von Dichterbriefen zur Buchgestaltung: Wenn Sie ein Herz für mich und mein Geisteskind haben, 1965 im besten Bleisatz vom Mergenthaler-Verlag der Linotype GmbH publiziert. Heinz Sarkowski war Mitglied der Pirckheimer-Gesellschaft und nahm aktiv am Leben der neu gegründeten Regionalgruppe Rhein-Main-Neckar teil. Im letzten Jahrzehnt schrieb er für die Marginalien einige größere Aufsätze, meist zu Weggefährten, und Rezensionen. Dabei sparte er nicht mit Kritik an unserer Zeitschrift, die seiner Meinung nach „ostlastig“ war. Mit seiner Hilfe gelang es der Redaktion, diesem Mangel entgegenzusteuern. Erinnert sei an Porträts des Buchbindermeisters Willy Pingel, der Verleger und Herausgeber Siegfried Buchenau und Georg Kurt Schauer sowie des Schriftkünstlers Hermann Zapf (Marginalien, H. 3, 1998, H. 4, 2001, H. 1, 2003 und H. 2, 2004). Die Arbeit an den vielen Themen waren in den letzten Jahren oft unterbrochen durch Krankheiten und Klinkaufenthalte. Am 15. März 2006 starb er in Dossenheim an den Folgen eines Krebsleidens. Patrick Graetz gestorben. Schon im Januar starb in Berlin der Sohn von Elizabeth Shaw und René Graetz, Patrick Graetz. Der Pädagoge für körperbehinderte Kinder, geboren am 27. Juni 1950 in Berlin, konnte nach seinem Ausscheiden aus dem Schuldienst unter den schlechten Arbeitsbedingungen seit der deutschen Einheit nur in befristeten Arbeitsverhältnissen tätig sein. Um so stärker war sein Engagement für das Werk seiner Eltern, das er auf Grundlage des von ihm eingerichteten Kunstarchivs führte. Durch Beharrlichkeit gelang es ihm, Elizabeth Shaw auf dem heutigen Buchmarkt heimisch zu machen. Regelmäßig unterrichtete er die Shaw-Freunde über Neuauflagen und auch neue Drucke aus dem Nachlaß. Unermüdlich war er landauf, landab mit Ausstellungen unterwegs. Ein Höhepunkt war 2002 die große Ausstellung im Künstlerkaten Ahrenshoop, zu der er zwei Kataloge für Elizabeth Shaw und René Graetz drucken ließ. Besonders froh war er über den für seinen Vater, dessen Plastiken und Ölbilder in Vergessenheit zu geraten drohen. Beide Kataloge erschienen auch in einer Vorzugsvariante mit je einer beigelegten Originalgraphik. Manchem Pirckheimer-Freund legte er sie ans Herz. Einige Jahre gehörte Patrick Graetz auch dem Vorstand unserer Gesellschaft an. Ahrenshoop erinnerte Graetz an glückliche Kindertage, die er hier regelmäßig während der Ferien mit den Eltern in Unterkünften des Kulturbundes verbrachte – „beim Bäcker, beim Frisör, bei der Post oder sonstwo“, wie sich seine Mutter erinnerte. Sie hat viele Erlebnisse und Beobachtungen in ihren Bildern und Büchern, besonders Eine Feder am Strand (1973), festgehalten. Auch in ihren Memoiren Irish Berlin (1990) erzählt die gebürtige Irin von dem Idyll inmitten des Kalten Krieges. Darin ist einiges über die frühesten Jahre des Sohnes festgehalten, der schon als Kind unter Krankheiten zu leiden hatte. Jetzt erlag er einem Herzleiden. C. W. Ein Lesezeichen zum Pirckheimer-Jubiläum. Das Lesezeichen (Signum lectoris) eines gewissen Carolus Audax, Berliner Buchhändler in Firma Carl Wegner, das beim Jubiläumstreffen am 29. Januar auslag oder dem Almanach beigegeben wurde, bedarf wohl nachträglich einer Erklärung, zumindest für die Nicht-Lateiner unter den Mitgliedern. Ich erinnere an die frühere Idee „Jedem Pirckheimer sein Lesezeichen!“ – realisiert von XAGO mit seiner „Grille“ als Beilage zu Heft 166, 2002 der Marginalien. Mangels solcher künstlerischer und originalgraphischer Möglichkeiten versuchte ich, ihm auf andere Art nachzueifern. Es lag nahe, dem bibliophilen Humanisten und Namenspatron der „Pirckheimer“ in seiner Sprache zu huldigen: also zu Ehren der Gesellschaft („in honorem Societatis …“), glückhaft gegründet in Berlin am 29. Januar 1956 („feliciter condita Berolini …“), jetzt zu feiern den 50. Geburtstag 2006 („nunc celebrandum diem natalem quinquagesimum …“): sie lebe, wachse und gedeihe („vivat, crescat, floreat“)! – Daß ich dabei in nächtlicher Schreibarbeit, mich um eine private Kalligraphie bemühend, die Gesellschaft in ihr zahlenmäßig bereits hundertjähriges Bestehen erhob – „MCMVI“ statt „MCMLVI“ – deute ich selbstironisch als unbewußt vorausschauenden Optimismus; möge sich dieser Lapsus (der bisher offenbar von nur einem Mitglied bemerkt wurde) aus der Wunschprojektion in Wirklichkeit wandeln! – Ein Hinweis noch auf die historisch weit zurückreichende Devise „Aliis inserviendo consumor“ (‚Anderen dienend, verbrauche, verzehre ich mich‘) mit dem Symbol der niederbrennenden Kerze – die meine ist schon fast am Ende –: die mehr als nur den Dienst der Buches und für das Buch betreffende Sinnhaftigkeit ist zu einleuchtend, als daß sie hier interpretiert werden müßte. Wer aber Entstehung und Geschichte dieses Mottos erfahren möchte, lese den Aufsatz Zitate und ihre Schicksale von Hans Widmann in das werck der bucher … Festschrift für Horst Kliemann (Freiburg 1956, S. 80 ff.). Carlos Kühn Buchkuriosa und Wolfgang Rasch. Thema und Referent hatten am 19. Januar trotz eisiger Kälte besonders viele Interessenten zum ersten Abend der Berlin-Brandenburger Pirckheimer im neuen Jahr in die Zentral- und Landesbibliothek geführt. Über viele Jahre hinweg hat Wolfgang Rasch eine stattliche und vielgestaltige Sammlung kurioser Buchobjekte zusammengetragen und vieles, wenn auch nicht die schwersten und größten Stücke, in einem großen Koffer aus Frankfurt am Main mitgebracht. Als er die zunächst verdeckten Schätze gleich zu Beginn der Betrachtung überließ, lief ein hörbares Erstaunen über die gespannten Gesichter. Es wurde ein höchst vergnüglich-amüsanter Abend, zumal die Exponate reihum wanderten, und in die Hand genommen werden konnten und auch von humorigen Anmerkungen des Sammlers zu den Verschrobenheiten und Bürden der Aufbewahrung begleitet wurden. Heiterkeit erfüllte den Kleinen Säulensaal. Kuriositäten erklären sich weitestgehend selbst: runde Bücher, ein Teefilter- und ein Kaffeefiltertütenbuch, ein Spitznasenbuch (natürlich Collodis Pinocchio), Der Witzigmann, Kochbuch des Starkochs, eine üppige Schmonzette, worin zum Beispiel „Hummer über Nudeln schreitet“, Minibücher, Kettenbücher, Beutelbücher, samt- und oasenledergewandete Luxusexemplare (Thomas Mann in Hellblau), ein aufblasbares, tauchtaugliches Buch mit absolut wasserfestem Papier, holz- und blechgewandete Bücher, ganz und gar Fragwürdiges wie Nudel- und Dudelkästchen mit Buchstaben, beiläufig war da vom „Suppen-Goethe“ die Rede … Wolfgang Rasch hatte seine Betrachtungen reizvoll gegliedert: Essen und Trinken / Merkwürdige Formate / Groß und klein / Einbandstoffe / Sex. In allen Abteilungen fanden sich Stars unter den Erwählten. Erwähnt sei aus der Fülle Raschs „kleinstes Buch der Welt“, ein in Tokio erstandenes, nicht lesbares handgearbeitetes Alphabet von A bis Z, ein „Krümel“ nur, immerhin unseren Pirckheimer-Freund Elmar Faber sprachlos werden lassend, der ja im Verlag Edition Leipzig 1971 Egon Pruggmayers Bilder-ABC auch als „kleinstes Buch der Welt“ ediert hatte. „Aber das tatsächlich allerkleinste kennt keiner …“ Hervorgehoben präsentierte Wolfgang Rasch neben anderen das monströse Leporello Auf den Leib geschrieben mit einem Text von Wolfgang Neuss, ein „Beitrag zum schwarzen Humor“ von Ali Schindehütte und Arno Waldschmidt, einst als Merlin-Leporello 4 erschienen und seit Jahrzehnten schon im Besitz des Sammlers in der Abteilung Sex. Der österreichische Stadtverlag edierte 1981 eine Drudenfuß-Monographie des Professors Otto Stöber, ein fünfeckiges wissenschaftliches Standardwerk, auf dessen Format der Autor unbedingt bestand. In der Edition Quadrat erschien 1996 der Wolkenkratzer-Band new york vertikal, ein Buch über Manhattan mit wunderbaren Schwarzweißfotos von Horst Hamann. Ein schmales Hochformat im Quadrat-Verlag: durchaus kurios. Erwähnt sei schließlich das liebevoll vorgestellte Minibüchlein, das der Sammler nach jahrelanger vergeblicher Suche endlich doch erwischte: ein winziges Vaterunser auf rotem Samtkissen, nur mit der Lupe mühsam zu lesen, das im Jahr 2000 anläßlich des 600. Geburtstages von Gutenberg für 75 Mark zu erwerben war und aus einer beim Aufräumen zufällig entdeckten Kiste im Keller des Gutenberg-Museums Mainz stammte. Die völlig vergriffen geglaubte Auflage war in den fünfziger Jahren als Baustein bestimmt, als das Museum nach der Kriegszerstörung neu erstand. – So erzählen auch Kuriosa Geschichten und Schicksale, wenngleich nicht alle und auch nicht ohne die hilfreiche Stütze des Sammlers. Mit herzlichem Beifall und einer Radierung von Dieter Goltzsche bedankten sich die Anwesenden. Ursula Lang Das Mädchen und der Tod – meine Totentanzsammlung hatte der Mediziner und langjährige Vorsitzende der Pirckheimer-Gesellschaft Prof. Dr. Wolfram Körner den Vortrag genannt, den er am 16. Februar vor den Berlin-Brandenburger Mitgliedern in der Zentral- und Landesbibliothek Berlin hielt und mit dem er einen umfangreichen Teil seiner eindrucksvollen Sammlung vorstellte. Er hat diesem Thema schon seit seiner Studienzeit Aufmerksamkeit gewidmet, und so umfaßt die Sammlung – ein Teil seiner Erotica-Sammlung insgesamt – heute rund 300 Objekte mit mehreren Regalmetern Stellfläche. Sie erstreckt sich von literarischen Texten über Exlibris bis zu Kleinplastiken, den Hauptteil bilden jedoch originalgraphische Blätter. Er hat die vorhandenen Werke nicht systematisch zusammengetragen, aber sie sind katalogisiert und um Nachweise von Totentanzdarstellungen ergänzt, die bei ihm nicht vertreten sind. Seine Ausführungen berührten viele Aspekte des Gebietes, darunter Hinweise auf internationale Organisationen, Tagungen, Ausstellungen und Kataloge. Daß die Fragen um Werden und Vergehen, insbesondere um unerwartetes und viel zu frühes Sterben, die Menschen durch die Zeiten und über Ländergrenzen hinweg immer aufs Neue bewegten und zur Gestaltung angeregt haben, bezeugen die Texte und Bilder von zahllosen Dichtern und bildenden Künstlern. Wolfram Körner nannte unter anderen – zum Teil mit Zitaten – Luther, Gryphius, Hofmann von Hofmannswaldau, natürlich auch Lessing und Matthias Claudius sowie Busch, Bierbaum, Rilke und Bachmann. Der Bogen der bildenden Künstler reichte von Hans Sebald Behaim bis zu vielen Künstlern des 20. Jahrhunderts wie Kollwitz, Masereel, Grieshaber, Janssen, Rubin, Volkamer und schloß darüber hinaus auch Fotografien, Comics und Musik nicht aus. Vielfältig sind die Eigenschaften und die Attribute, mit denen der Tod jeweils gezeigt wird. Einige Blätter der Körnerschen Sammlung sind uns schon vor einigen Jahren in der Jahresgabe Büchermädchen. Erotische Exlibris (1999) begegnet, und sehr frühe Pirckheimer-Mitglieder erinnern sich noch der von unserem Mitglied Heiner Vogel illustrierten Jahresgabe 1966 – Gorki: Das Mädchen und der Tod (1961). Wolfram Körner führte uns nicht nur durch eine faszinierende Sammlung, sondern auch durch ein großes Kapitel der Kulturgeschichte. Renate Gollmitz Schönste Bücher 2005 in Berlin. Traditionell fand am 9. März 2006 im Kleinen Säulensaal der Zentral- und Landesbibliothek Berlin die Vorstellung der „Schönsten deutschen Bücher des Jahres 2005“ statt. Ute Schneider präsentierte und kommentierte eingangs ausschließlich die Bücher der Berliner Preisträger. Wie jedes Jahr waren zahlreiche jüngere Gäste aus der Gestalter-Branche erschienen. Es folgten einige statistische Daten: 912 Einsendungen von 424 Einsendern bedeuteten auch für diesen Jahrgang einen neuen Rekord. Überproportional vertreten war die Sachgruppe „Kunst“ mit 250 Titeln. Die aus sieben Personen bestehende erste Jury hatte nach drei Tagen zwei Drittel aller Bücher ausjuriert. Dann nahm die zweite Jury mit acht Juroren und einem Auslandsjuror die schwierige Aufgabe der endgültigen Bewertung der restlichen zirka 300 Titel vor. Der jährlich erscheinende ausführliche Prospekt mit Auflistung aller Preisträger ist ebenso wie der ausführliche Katalog über die Stiftung Buchkunst, Adickesallee 1, 60322 Frankfurt am Main erhältlich (im Internet: www.stiftung-buchkunst.de). Neu ist die Gründung eines Freundeskreises der Stiftung Buchkunst (Auskunft unter der gleichen Adresse), dem Interessenten, die fördernd die Arbeit der Stiftung unterstützen wollen, beitreten können. – Ute Schneider ließ nun allen Teilnehmern ausführlich Zeit zum Betrachten der ausgestellten Bücher und für fachspezifische Fragen, so daß nach einer guten Stunde wohl alle zufrieden von dannen zogen. Jürgen Gottschalk Kurt Marholz – ein malender Halle-Chronist. Nach dem bereits am 24. Januar 2006 veranstalteten traditionellen „Mitbringsel-Abend“, auf dem die Teilnehmer ihre im Vorjahr erworbenen Schätze der Graphik und Buchkunst präsentierten und so auch das Interesse der anderen weckten, stand der erste thematische Abend des Jahres am 28. März im Zeichen des halleschen Malers Kurt Marholz (1905-1984). Dr. Walter Müller, Mitglied unserer Gesellschaft, Historiker und verdienstvoller Forscher der halleschen Stadtgeschichte, sprach über den in Wien geborenen Künstler, der im letzten Jahr 100 Jahre alt geworden wäre und dessen Werk wie bei kaum einem anderen seiner zeitgenössischen Kollegen im Zeichen der halleschen Stadtentwicklung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stand. Walter Müller gab eine Übersicht zum Lebensweg Kurt Marholz’, der in Wien begann, wo der Sohn eines Handwerkers und Ladenbesitzers und einer Baronin mit sechzehn Jahren auch die Kunstakademie besuchte. Er beendete aber sein Studium an der Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein in Halle, deren Werkstattatmosphäre dem Handwerkersohn sehr entgegenkam. Von seinem 23. Lebensjahr bis zu seinem Tod im Frühjahr 1984 lebte Kurt Marholz in Halle und durchlebte dabei anfangs sehr entbehrungsreiche Zeiten, die ihn auch zu anderen Tätigkeiten nötigten. 1935 fand er eine Anstellung als Pressezeichner, und etwa ab dieser Zeit befaßte er sich immer stärker mit der künstlerischen Gestaltung seiner Wahlheimat Halle. Zahlreiche Ausstellungen der folgenden Jahrzehnte belegen diesen thematischen Schwerpunkt. Obgleich sich Marholz auch mit dem Porträt und mit der Tierzeichnung beschäftigte, blieb die Stadt in ihrer ständigen Veränderung und Entwicklung „sein“ Thema. Die historische Genauigkeit, die seine Darstellungen, meist Aquarelle, auszeichnet, verbunden mit einer zutiefst atmosphärischen Durchdringung, machten ihn zu einem wahren, objektiven Dokumentaristen und Chronisten der Saalestadt. In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, daß seine vielseitigen Aktivitäten als Denkmalpfleger, Kulturjournalist und Referent über viele Jahrzehnte hinweg das Kulturleben Halles bereicherten. Wie in all seinen Vorträgen belegte Walter Müller seine Ausführungen mit zahlreichen Bildbeispielen und ließ so vor den vielen Besuchern des Abends, von denen sich die meisten noch gut an Kurt Marholz erinnern konnten, den Künstler wieder lebendig werden. – Dr. Hans-Georg Sehrt, der seit Jahresbeginn wieder der Regionalgruppe Halle der Pirckheimer-Gesellschaft vorsteht, dankte dem Referenten für seinen anschaulichen Vortrag, der zugleich als eine sinnvolle Würdigung im Rahmen des Jubiläums „1200 Jahre Halle“ verstanden werden sollte. Ute Willer »Kuriose Buchformen« leiteten am 6. Dezember 2005 den Geselligen Abend der Leipziger Bibliophilen ein, mit dem traditionsgemäß das Jahresprogramm abgeschlossen wurde. Gern war Wolfgang Rasch, ehedem langjähriger Geschäftsführer der Stiftung Buchkunst, nach Leipzig gekommen, um interessante Stücke aus seiner umfangreichen Sammlung von Kuriosa vorzustellen, launig zu kommentieren und damit die über 80 Gäste des Abends zu erheitern. Da gab es runde und dreieckige Bücher, solche mit Metalleinbänden, kleinste Bücher ebenso wie riesige Längsformate (aus dem Verlag Quadrat!), Erotika mit beweglichen Teilen à la Meggendorfer, aufblasbare Bücher und solche, die man unter Wasser lesen kann, den »Dudel«, eine mit Buchstaben-Nudeln gefüllte Box im Dudencover und noch vieles mehr. – Mit ermatteten Lachmuskeln zogen sich die Bibliophilen zu Speis und Trank zurück, um sodann das Gespräch über Bücher wieder aufzunehmen. Erfreut wurde die Kunde aufgenommen, daß sowohl der soeben erschienene 15. »Leipziger Druck«, Heinrich von Kleists Marquise von O. mit Holzschnitten von Rolf Kuhrt wie auch die diesjährige Gabe, Novellen von Maupassant mit Graphiken von Kurt Löb und Karl-Georg Hirsch unter den »Schönsten deutschen Büchern 2005« sind. Es folgte eine kleine Messe-Nachlese, in der einige für den Bibliophilen wichtige Titel vorgestellt wurden: Der Taschen Verlag steuerte als »gewichtigsten« Band (einige Kilo schwer) Meisterwerke der Buchmalerei bei, der die schönsten illuminierten Handschriften aus der Zeit von 400 bis 1600 präsentiert und zu erstaunlich moderatem Preis im Angebot ist. Besonders hervorzuheben ist die jeder Handschrift beigegebene informative Übersicht mit den wichtigsten Daten zu Entstehungszeit und -ort, Umfang, Inhalt, Illuminator und Buchschmuck, Auftraggeber, Besitzer, gegebenenfalls mit Nachweis einer Faksimileausgabe. – Auf eine für das Jahr 2006 vorgesehene Veranstaltung mit ›gemalter Künstlerpost‹ machte der im Verlag Knesebeck erschienene Titel Bilderbriefe neugierig, in dem Rolf-Bernhard Essig und Gudrun Schury die schönsten derartigen illustrierten Grüße aus drei Jahrhunderten zusammengetragen haben. – Auf großes Interesse stieß Lothar Langs Buchkunst und Kunstgeschichte im 20. Jahrhundert (Hiersemann), ein wohlgestalteter und reich illustrierter Sammelband mit Beiträgen, die teils aus entlegenen Quellen wieder zugänglich gemacht, teils stark bearbeitet oder für diese Edition neu verfaßt wurden. Leider wird der exorbitante Preis verhindern, daß dieses Buch Eingang in viele Sammlerbibliotheken findet. Im Verlag Ch. Links hat Roland Berbig unter dem Titel Stille Post die vielfältigen persönlichen Beziehungen recherchiert, die sich in der Zeit der Zweistaatlichkeit zwischen ost- und westdeutschen Schriftstellern unterhalb der offiziellen Ebene entwickelt haben und umsichtig gepflegt wurden. Diese ›deutsch-deutsche Literaturgeschichte der anderen Art‹ stützt sich auf Briefe, Interviews, Gespräche und ist somit von einer wohltuenden Objektivität. Ein umfangreicher Anhang gibt alle notwendigen Informationen. – Nicht vorbeigehen können die Bibliophilen, zumal die Leipziger, an dem Fall des bibliophilen Mörders Tinius, den Detlef Opitz in seinem sprachmächtigen Roman Der Büchermörder (Eichborn) nachzeichnet. Opitz, selbst Bibliophile hohen Grades, hat viele Jahre an der kompletten Neuerforschung dieses Büchermordes und der Person des Theologen Tinius gearbeitet, den verloren geglaubten Nachlaß des Bremer Bibliophilen Hans Kasten mit der größten bekannten Sammlung von Material zu Tinius sowie die seit 150 Jahren verschollenen Prozeßakten zum Fall Tinius aufgespürt. Opitz rollt den Fall neu auf, um Tinius’ Unschuld zu beweisen; aber darüber hinaus gewinnt der Leser auch Einblicke in die Geschichte der Bibliophilie und in die Spurensuche des Autors: dies ein Criminal für sich. Für Erheiterung sorgten Kostproben aus dem Briefband Der Kampf geht weiter! von Harry Rowohlt, der im Verlag Kein & Aber ›nicht weggeschmissene Briefe‹ des Autors mit dem Untertitel »Schönen Gruß, Gottes Segen und Rot Front« versammelt. – Erstmals in deutscher Sprache gibt es eine Begegnung mit dem vergessenen russischen Satiriker Michail Kozyrew (1892 Lichoslawl – 1942 in einem stalinistischen Lager), dessen Roman Die fünfte Reise Lemuel Gullivers den Leser nach Juberallija führt, dem besten Land der Welt, auch Land des Heuchelns und der Lüge genannt. Zu danken ist diese Entdeckung dem Übersetzer Michael Düring und dem persona verlag. – Der Gesellige Abend klang harmonisch aus mit der Überreichung der Jahresgabe und mit einem kleinen, erfreut angenommenen und nahezu ausgeplünderten ›Schnäppchen- Basar‹. Herbert Kästner Aus der Frühzeit der Pirckheimer-Gesellschaft können heute nur noch wenige Zeitzeugen berichten. Zu ihnen zählt Prof. Dr. Friedhilde Krause, zwar kein Gründungsmitglied der Gesellschaft, jedoch schon früh in die bibliophilen Aktivitäten eingebunden durch ihre Funktionen in der Deutschen Staatsbibliothek. Dort kam sie in persönlichen Kontakt mit etlichen der »großen K« der Pirckheimer-Gesellschaft (Kaiser, Klemke, Kuczynski, Kunze, Körner und andere). Schon während ihres Studiums der Slawistik und Germanistik an der Berliner Humboldt-Universität und der nachfolgenden Tätigkeit im Staatssekretariat für das Hochschulwesen hatte sie viele Persönlichkeiten kennen- und schätzengelernt, die auch für die Entwicklung der Pirckheimer-Gesellschaft maßgebend gewesen sind. Am 10. Januar 2006 sprach sie vor den Leipziger Bücherfreunden über die frühen Jahre der Gesellschaft, indem sie einige der herausragenden Charaktere dieses bibliophilen Kreises ins Gedächtnis rief, die auch ihren eigenen Lebensweg geprägt haben, Lehrer, Kollegen und Freunde, geschätzte und verehrte Vorbilder. Ihre sehr anschauliche und liebenswerte, auch das Anekdotische nicht auslassende Schilderung brachte den Hörern – namentlich jenen, die keine unmittelbaren Begegnungen zurückrufen konnten – diese Persönlichkeiten nahe und zeigte, daß eine bibliophile Gemeinschaft nur lebensfähig ist durch die Tatkraft und den intellektuellen Rang Einzelner. Dabei verwob die Referentin die Erinnerung an jene immer eng mit ihrem eigenen Lebensweg, auch mit gemeinsamem Wirken und Erleben sowie mit den zahlreichen Beiträgen, die sie über diese ihre Vorbilder und Freunde verfaßt hat. Besonders aufschlußreich waren die Ausführungen zu den vielfältigen, von Friedhilde Krause aufgebauten und nachhaltig gepflegten Kontakten mit bibliophilen Freunden aus den osteuropäischen Ländern. Ihre in den Marginalien herausgegebenen Artikelserien haben die deutschen Leser erstmals mit den jeweils aktuellen bibliophilen Bestrebungen in der ČSSR, in Polen, Ungarn, der Sowjetunion bekanntgemacht. – An die mit viel Zustimmung und Beifall aufgenommenen Erinnerungen der Referentin schloß sich noch eine rege Debatte an, in der überdies interessante Dokumente über die Gründungszeit der Pirckheimer-Gesellschaft und ihrer Leipziger Gruppe aus dem Archiv des Leipziger Bibliophilen-Abends vorgelegt wurden. Adam Friedrich Oeser und die Anfänge der klassizistischen Kunst in Deutschland – Zeichnungen und buchillustrative Arbeiten, so der Titel einer Gemeinschaftsveranstaltung des Leipziger Bibliophilen-Abends mit dem Museum der bildenden Künste Leipzig, zog am 7. Februar 2006, nur etliche Tage vor Oesers 289. Geburtstag, eine erfreulich große Schar von Interessenten an. Oeser, 1717 in der alten ungarischen Königs- und Hauptstadt Preßburg geboren und 1799 in Leipzig gestorben, wird in der Historiographie der Kunst recht unterschiedlich bewertet. Lange Zeit als eher marginal abgehandelt, gehört er dennoch unstrittig zu den großen Anregern und Multiplikatoren künstlerischer Entwicklungen in spätbarocker und frühklassizistischer Zeit. In der Kunstgeschichte Leipzigs wie der des sächsisch-thüringischen Raumes insgesamt ist er fest verankert, sein Wirken als erster Direktor der Leipziger Akademie war zudem von großer Ausstrahlung. Zeugnisse seines Schaffens können dem aufmerksamen Kunstwanderer auch heute nicht entgehen – so Gemälde in der Leipziger Nikolaikirche und im Gohliser Schlößchen sowie Bildwerke in den Parkanlagen, im Grassimuseum und wiederum im Gohliser Schlößchen, die von Oeser stammen oder auf seine Entwürfe zurückgehen. Das Leipziger Museum der bildenden Künste birgt indes einen Schatz ganz besonderer Art: eine umfangreiche, nach Hunderten zählende Sammlung seiner Zeichnungen und druckgraphischen Blätter, die eine fruchtbare Beschäftigung mit Oeser ermöglicht. Dr. Richard Hüttel, Leiter der Graphischen Sammlung des Museums, führte in diesen nahezu ungehobenen Schatz ein und wies auf zahlreiche Desiderata der Forschung hin, die auch heute - trotz deutlich angestiegenen wissenschaftlichen und publizistischen Interesses - noch immer bestehen. Die vorgezeigten Originale umrissen das sowohl thematisch wie auch qualitativ und funktional sehr differenzierte Spektrum des Oeserschen Zeichnungswerkes, das von eher beiläufig entstandenen Skizzen und sparsamen Entwürfen über feine Stücke in Graphit und Rötel und delikat lavierten Arbeiten in Feder oder Pinsel bis zur ausgearbeiteten Polychromie reicht. Bücher der Zeit mit Illustrationen nach seinen Zeichnungen, von der hiesigen Universitätsbibliothek freundlich zur Verfügung gestellt, waren dem Bücherfreund besonders lieb. Der Abend, im recht kleinen und nur sparsam ausgeleuchteten Studiensaal des Museums abgehalten, bot die schöne Gelegenheit der Begegnung mit einem Künstler aus dem lokalen Kulturkreis, dessen Kunstfertigkeit und liebenswürdig empfindsames Naturell noch immer zu rühmen sind. Eberhard Patzig Der Kulturverleger – ein Phänomen des 20. Jahrhunderts war der Titel eines Vortrages von Dr. Ute Schneider vom Buchwissenschaftlichen Institut der Mainzer Universität, der am 7. März 2006 auf beachtliches Interesse der Leipziger Bibliophilen stieß. Die Referentin, die dieses Thema bereits 1998 in einem Seminar behandelt hatte, verwies zunächst auf die zunehmende Spezialisierung im Verlagswesen Ende des 19. Jahrhunderts, in dessen Gefolge sich Verlage mit ausgeprägtem Profil herausbildeten und sich von den ›Universalverlagen‹ abhoben. Zum Verlegertypus, der im Konsens der Forschung als ›Kulturverleger‹ bezeichnet wird, zählen unter anderem Samuel Fischer (1886), Eugen Diederichs (1896), Albert Langen (1895), Bruno und Paul Cassirer (1898), Georg Müller (1903), Reinhard Piper (1904), Ernst Rowohlt und Kurt Wolff (1909/10). Ein gemeinsames Merkmal dieser Verleger war ihr besonderes Engagement für zeitgenössische Literatur- und Kulturströmungen, die um die Jahrhundertwende eine Vielfalt von literarischen Moden und Stilen hervorbrachten. Diese Verleger fühlten sich nicht ausschließlich dem bürgerlich-klassischen Bildungskanon verpflichtet, sondern sahen ihre Aufgabe vor allem in der Förderung und Durchsetzung junger, oft noch unbekannter zeitgenössischer Autoren der Avantgarde. Um kulturelle und wirtschaftliche Entscheidungen in kluger Waage halten zu können, war einerseits eine exakte Marktanalyse und schnelle Reaktionsfähigkeit gefragt, andererseits kam es aber auch darauf an, für die zu befördernde Literatur einen Markt zu schaffen. Die Verleger versuchten durch Pflege des Gesamtwerkes ihrer Autoren, durch Beratung und finanzielle Unterstützung diese ganz an ihren Verlag zu binden, sahen in ihnen gewissermaßen ein »literarisches Kapital«. Umfassende Werkausgaben sollten »das Revolutionäre ins Klassische münden« lassen (Thomas Mann). In diesem Zusammenhang ist die wachsende Bedeutung von Lektoren als literarischen Beratern des Verlegers zu sehen. Dieses programmatische Konzept und die neuen Strategien bei Autorengewinnung und -pflege, bei Lektorierung, Buchgestaltung, Werbung und Distribution waren allerdings erst durchsetzbar auf der Grundlage soziokultureller Veränderungen des Lesepublikums, seines Bildungsstandes und seiner Lektürevorlieben sowie durch eine Demokratisierung des Buchmarktes. – An die Ausführungen von Dr. Ute Schneider schloß sich eine rege Diskussion an; in der einige Disputanten den Begriff des ›Kulturverlegers‹ sehr weit (und rein semantisch) auslegten und auf Grund dieser terminologischen Differenz auch zu anderen Schlüssen kamen. Alles in allem ein interessanter, zu weiterem Überdenken der dargestellten Problematik anregender Abend. Herbert Kästner Die Stiftung Buchkunst präsentierte am 4. April 2006 die von einer Jury zu den »Schönsten deutschen Büchern 2006« erhobenen Editionen. Charmant und sachkundig kommentierten Uta Schneider, Geschäftsführerin der Stiftung, und die Jurorin Julia Walch anhand von Dias sowie der vorliegenden Objekte die Entscheidungen der Jury. Aus jeder der Sachgruppen, in welche die von den Verlagen eingereichten Titel gegliedert sind, griffen sie ein repräsentatives Beispiel heraus und erläuterten ausführlich dessen Vorzüge, aber auch die von der Jury in den Beratungen vorgebrachten Kritikpunkte. Ein leichter Rückgang bei der Zahl der beteiligten Verlage und der Zahl der eingereichten Titel kann dem Wettbewerb nur nützen und die kritische Selbsteinschätzung der Qualität in den Verlagen befördern. Von zunächst 912 Büchern schieden in der ersten Jury 594 wegen zum Teil grober Mängel aus, und unter den verbliebenen 318 Editionen vergab die zweite Jury schließlich nur 43 »Prämierungen« und 14 »Anerkennungen«. Diese erfreulich kritische Haltung der Juroren wird auch im Abschlußbericht deutlich, den man im wohlgestalteten Katalog (zu haben für 12 Euro) nachlesen kann. In der Leipziger Debatte wurde die mehrfach mangelhafte Satzqualität, die Diskrepanz zwischen Innengestaltung und Einband-/Umschlag-Design kritisch angemerkt sowie festgestellt, daß etliche der ausgezeichneten Bücher nicht »funktionieren« (falsche Register, unklare Verweise, unvollständige Impressi, fehlende Angaben zu Beilagen etc.). Andererseits beeindruckte die besonders bei Fotobänden und Katalogen oft vorzügliche Qualität von Reprovorlagen und Druck, die verbesserte buchbinderische Verarbeitung, der Einsatz von farbigen Papieren und verschiedenformatigen Buchblöcken (im selbem Buch), jeweils zur Gliederung der Inhalte oder zur Konstituierung einer weiteren Informationsebene. Auf das besondere Interesse der Bibliophilen stießen naturgemäß der wunderbare Blickfang von Jürgen Holstein über die Berliner Buchumschläge und Einbände der zwanziger Jahre, das empfindsam komponierte Buch Lebendig und still über japanische Traditionen im Jahreslauf, den auch zu internationalen Ehren gekommenen Band über Max Bill und den Katalogführer zum Wielandgut Oßmannstedt, konzeptionell und typographisch vom Feinsten. Und natürlich wurde mit Freude konstatiert, daß der 1. Preis der Stiftung Buchkunst an einen Leipziger Titel ging (Mit einem Reh kommt Ilka ins Merkur, mit Illustrationen von Thomas M. Müller) und daß auch der Leipziger Bibliophilen-Abend mit seinem 15. »Leipziger Druck« (Kleist: Die Marquise von O …, mit Holzschnitten von Rolf Kuhrt) und mit der vorjährigen Gabe, Erzählungen von Maupassant mit Graphiken von Karl-Georg Hirsch und Kurt Löb, unter den »Schönsten« ist. Ausführlich wurden die ausliegenden „Schönsten“ betrachtet und geprüft, und wie in jedem Jahr hörte man begeisterte, zustimmende, ratlose und ablehnende Stimmen. H. K. Die »Leipziger Drucke« des Leipziger Bibliophilen-Abends ist der Titel einer Ausstellung, die im Buchmuseum der Deutschen Bücherei Leipzig am 20. Februar 2006 eröffnet wurde. Zu sehen sind in Vitrinen die fünfzehn bisher erschienenen Drucke sowie in Rahmen die zuge-hörigen graphischen Blätter, des weiteren typographische Entwürfe, Zustandsdrucke, Werbe-schriften und einige Urkunden zu den neun Auszeichnungen, die mehreren dieser Editionen bisher zuerkannt wurden. Die Ausstellung ist noch bis Ende Juni zu sehen. Papier-Vorträge in der Regionalgruppe Rhein-Main-Neckar. Dem Thema Papier – Geschichte, Verfahren, Typen und Anwendung galten die beiden Treffen der Regionalgruppe Rhein-Main-Neckar am 27. Oktober 2005 und 23. März 2006. Die Pirckheimer-Freundin Marita Hoffmann, Verlegerin in Ludwigshafen am Rhein, referierte kenntnisreich mit vielen Abbildungen sowie Rohstoff- und Papiermustern über das wichtige Basisprodukt, ohne das Bibliophilie nicht möglich wäre. Die Referentin schilderte die Technikgeschichte der Bedruckstoffe von Bambus-, Stein- und Tontafeln über Papyrus bis zur Erfindung des Papiers aus Baumrinde, Bast- und Hanffasern, Lumpen und ausgedienten Fischernetzen durch den chinesischen Hofbeamten Tsai Lun um 105 n. Chr. Das Wissen um die Papierherstellung fand zunächst seinen Weg über Korea nach Japan, wo Papier bald mehr war als ein Werkstoff. Es wurde ein Zeugnis der japanischen Seele. Eng verbunden mit der Shinto-Religion, findet man bis heute Papier in allen möglichen Arten und in allen Lebensbereichen. Noch heute stellen die japanischen Hersteller die dünnsten, feinsten Papiere der Welt her, die vor allem bei der Restaurierung von alten Büchern Anwendung finden. Seit dieser Frühzeit erfolgte der eigentliche „Schöpfungsprozeß“ des Papierbogens für viele Jahrhunderte mit dem schwimmenden Sieb. Um 650 finden wir bereits Geldnoten aus Papier. Über die Seidenstraße fand die Herstellung des neuen Bedruckstoffs schrittweise seinen Weg nach Westen. So ist eine Papierherstellung nachgewiesen in Bagdad (793), Damaskus und Kairo (im 10. Jahrhundert), Spanien (um 1100), Italien (1260). Die Fabriken in Fabriano sind auch heute noch für ihre guten Büttenpapiere bekannt. Dort wurde auch erstmals das Wasserzeichen in die Papiere eingebracht, was durch den Einsatz von Papiersieben aus Metallgeflecht ermöglich wurde. Die erste Papiermanufaktur in Deutschland wurde 1390 von Ulman Stromer vor den Toren Nürnbergs eingerichtet. Am Ende des 16. Jahrhunderts gab es etwa 190 Papiermühlen in Deutschland. Vier Jahrhunderte dauerte die Suche nach alternativen Faserrohstoffen. Sehr wichtiges Material waren Lumpen, die sogar zur Schmuggelware wurden. Die Zerfaserung erfolgte in Stampfwerken, die von Wasserkraft angetrieben wurden. Eine erste technische Neuerung war der Mahlholländer, der 1711 erfunden wurde. Eine gravierende Erfindung durch Nicolas Louis war 1799 dann die mechanische Langsiebmaschine, die zunächst noch per Handkurbel betrieben wurde. Eine deutliche Kostensenkung erbrachte die Entwicklung des Holzschliffs durch den sächsischen Webermeister Gottlob Keller (1840). Wir wissen allerdings auch um die damit einhergehende Qualitätsverschlechterung des Papiers (Vergilbung, geringe Alterungsbeständigkeit). Bahnbrechend war die Erfindung des Natron- oder Soda-Zellstoffs durch Kochen von Holzhackschnitzeln im alkalischen Milieu mittels Sulfit oder Sulfat. Der Antrieb der Papiermaschine wurde mechanisiert, die Herstellung erfolgte nun sowohl auf Langsieb- als auch auf Rundsiebmaschinen. Die Papierbahnbreite und die Laufgeschwindigkeit stiegen von Jahrzehnt zu Jahrzehnt immer weiter an und senkten somit die Herstellungskosten. Heute bestaunen wir Maschinen von über acht Meter Breite und einer Geschwindigkeit von 900 Meter pro Minute und mehr. Der Wasserverbrauch konnte durch werkseigene Aufbereitung immer weiter gesenkt werden (heute 5 Kubikmeter je Tonne Papier und weniger). Auch die Vielfalt der Qualitäten und Sorten, der Gewichte und der Festigkeiten stieg ständig an. Somit ergibt sich ein breites Anwendungsspektrum für Papiere, Kartons und Pappen. Marita Hoffmann präsentierte eine Fülle von Beispielen einer neuzeitlichen Nutzung, wie auch die Vielfalt von Druckpapieren vom weiterhin handgeschöpften Bütten (Bogen) bis zum Zeitungsdruckpapier (Rollenware), von Zeichner- und Graphikpapieren über Werbedruckpapiere bis zum Packpapier. Viele Detailfragen wurden diskutiert, zwei lehrreiche Abende hätten noch ausgedehnt werden können. Ferdinand Puhe Die Graphiksammlung Rudolf Franke in Erfurt. Am 17. Dezember 2005 veranstalteten die Thüringer Graphik- und Buchfreunde in Erfurt ihr letztes Treffen im Jahr. Den Auftakt bildete eine interessante Führung durch die Ausstellung Dem Auge ein Fest, die von November bis Januar im Renaissancesaal der Kunsthalle einen Einblick in die Sammlung des Graphikfreundes Rudolf Franke gewährte. Die mehr als 10 000 Blätter waren im Jahr 2004, nach dem Tod des Sammlers, von seiner Frau, Ilse Franke, der Stadt Erfurt geschenkt worden. Die Sammlung wird jetzt von der Kustodin Cornelia Nowak wissenschaftlich bearbeitet und betreut. Neben Blättern der Expressionisten, wie Ernst Ludwig Kirchner, Lyonel Feininger, Otto Dix, George Grosz, umfaßt sie auch Jahresgaben des Erfurter Angermuseums. Zu sehen war nur eine kleine Auswahl von mehr als 200 Werken. Auf besonderes Interesse stießen Handabzüge der farbigen Holzschnitte von Gerhard Altenbourg. Ebenso kraftvoll wie spannungsreich waren die ausgestellten Lithographien von Marc Chagall, Henri Matisse und Pablo Picasso. Die Teilnehmer fragten sich, wie der Privatsammler Rudolf Franke, der als Lehrer für Druckgraphik und Schriftgestaltung am Institut für Kunst tätig war, solche Arbeiten erwerben konnte, war es doch in der DDR nicht einfach, international gewichtige Kunst zu erhalten. Daß er ein gutes Gespür für Kunst besaß, bewies die Ausstellung nachhaltig. Auch eine Auswahl von tschechischen Arbeiten konnte beeindrucken. Arbeiten von uns unbekannten tschechischen Künstlern überzeugten durch Motiv und Technik. Eindrucksvoll schilderte die Kuratorin der Ausstellung das Prinzip der verlorenen Platte und die Vielfalt des Irisdrucks an ausgewählten Motiven und Beispielen des Hochdrucks. Der Nachmittag stand im Zeichen des neuen Graphikkalenders, der von Martin Max, einem Thüringer Graphiker im Verband Bildender Künstler, vorgestellt wurde. Den Abschluß des Treffens bildete eine Runde, in der die Graphik- und Buchfreunde ihre „Sammlerfreuden“ vorstellten und auf die eine oder andere Neuerwerbung aufmerksam machten. Diana Henkel-Trojca