Zum „eigenmächtigsten und gewaltigsten Bild-Erfinder“ prognostizierte Lothar Lang 1976 in der Weltbühne: „Die Forschungen zu Picassos Werk werden noch Generationen beschäftigen.“ Unerschöpflich bleiben Werk und Leben Picassos. Seine Kunst aus der Entstehungszeit zu erschließen, läßt die Aktualität Picassos erleben, sein Engagement gegen die waffenstarrende Zeit und für Frieden, seine tiefempfundene dramatische Beziehung zwischen Frau und Mann. Picassos Kunst bleibt offen für neue Rezeption und bedeutend in neuer Gegenwart. Neue Generationen treiben aus hohem spezialisierten Wissen die Forschung in die Tiefe. Zum Thema „Picasso und das Modell“ erzählt eine Ausstellung über Sylvette in der Kunsthalle Bremen (28.2. – 22.6.14).

Mißverständlich betitelte Andrea Fromm ihren Text „Von Frauen und Fröschen“. Leider zeigt man nicht die schöne Lithographie „Kröte“ von 1949, obwohl sie zu dem Zeitpunkt entstanden ist, als Picasso sagte: „Für mich gibt es keinen Unterschied zwischen einer bezaubernden Frau und einem Frosch.“ Dabei meinte er die künstlerische Bearbeitung und keine Herabsetzung des schönen Geschlechtes.
Bei der Ausstellungsgestaltung bezaubert der Farblinolschnitt „Faune und Ziege“, 1959, an der schönsten Wand, die aber durch die Konfrontation mit einem schwächeren „Doppel“ ohne schwarze Linien („Suche den Unterschied!“) verschwendet wird. Als besonders beeindruckender Werkkomplex werden die Lithographien geschätzt, von denen die Aura einer glücklichen Lebenszeit ausgeht. Nach wenigen früheren Versuchen, von denen das „Gesicht (Marie-Thérèse)“, 1928, zu sehen ist, entwickelte Picasso diese Drucktechnik in der Zeit des Neubeginns Frankreichs nach 1944. Es ist auch die Zeit Françoise Gilots, einer jungen Malerin. Mit welcher Lust erschloß sich Picasso die reichen Möglichkeiten der Lithographie beim Pariser Drucker Fernand Mourlot. Er brilliert mit dem Einsatz aller lithographischen Techniken und Mittel. Zumeist gestaltete er in verschiedenen, oft zahlreichen Variationen, die auch die Ausstellung gliedern, besonders „Die zwei Frauenakte“, 1945, und „Frau im Lehnstuhl“, 1949. So werden die Lithographien in ihrer Machart durchsichtig; der Methodiker Picasso eröffnet geradezu spannende Einblicke in seine Arbeitsweise und sein bildnerisches Denken. Einen Vergleich künstlerischer Mittel unternimmt Picasso in der Radierfolge „Der Maler und sein Modell“, als er Honoré de Balzacs Novelle „Das unbekannte Meisterwerk“ (1927–1931) mit dem Problem, welche Kunstmittel die Natur erfassen könnten, durchdachte und für Ambroise Vollard illustrierte. Im Blatt 8 wird das Modell in fließenden, klaren Linien umrissen, eine traumhaft sicher gezeichnete Kontur, so zart und rein wie mozartsche Melodienbögen. Eine gedrehte Flächenschraffur setzt er daneben, welche die Malerei bedeutet und die Figur in plastischer Anmutung zeigt. Picasso deutet an, was in welcher Gattung möglich ist, mit dem Ergebnis, das keine Gattung zum Sieger erhebt. Unterm Dach des Kunsthauses lassen Tauben mit Regenbogen, Farblithographien von 1952, den Gedanken an den Frieden auffliegen.
(Peter Arlt in
Ossietzky 5/2014)Ausstellung bis 23. März 2014, Die. bis So. 10 bis 18 Uhr
Kunsthaus Apolda Avantgarde
Bahnhofstraße 42
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