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Jahrestreffen 2008 der Pirckheimer-Gesellschaft in Köln

Fotos vom Jahrestreffen 2008 in Köln
 Wolfgang Schmitz - Bericht über das Jahrestreffen in ProLibris 4/08, S170f

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© Konrad Hawlitzki 2009F

Wie in Augsburg einmütig beschlossen, wurde das Treffen 2008 in Köln vorbereitet und so kamen vom 26. bis zum 28. September 38 Mitglieder, mit Angehörigen rund 60 Teilnehmer, in die alte Domstadt am Rhein. Erster Treffpunkt am Freitag war die Universitäts- und Stadtbibliothek Köln (USB), in deren Vortragssaal sogleich die Mitgliederversammlung begann. Direktor Prof. Dr. Wolfgang Schmitz, einst durch Elmar Faber für die Pirckheimer gewonnen, begrüßte die Teilnehmer, stellte die Bibliothek vor und erläuterte die bereitliegenden Gaben, außer einer Mappe mit vielerlei kulturellen Stadtinformationen eine kleine Kölner Universitätsgeschichte sowie zwei bibliophile komentierte Faksimiledrucke: Ursula-Legenden im Kölner Druck aus der Reihe Alte Kölner Volksbücher um 1500 der Bibliophilen-Gesellschaft in Köln und Johan Haselbergs Eyn Lobspruch der keyserlichen freygstath Coellen von1531,denerstengedruckten Kölner Stadtführer, herausgegeben von Wolfgang Schmitz und gestiftet von der Kölnischen Bibliotheksgesellschaft. Traditionsgemäß wurde sodann der seit der letzten Mitgliederversammlung verstorbenen Mitglieder gedacht: Sibylle Haberditzl, Annelies Krause, Lothar Gründel, Hans Liebl, From und Hoy, Klaus Braden und Karlheinz Schacherer. Dr. WK dankte in seinem Bericht für das pünktliche Erscheinen der MARGINALIEN und die Bemühungen um einen zügigen Versand. Die Herstellungskosten sind wieder gestiegen, die typographische Beilage konnte aber noch beibehalten werden. Für neue Publikationen ab 2009 sind bereits bei der Kulturbundstiftung zusätzliche Mittel beantragt. Das Angebot von Hans-Udo Wittkowski, das Jahrestreffen 2009 in Weimar zu organisieren, wurde ebenso begrüßt wie der Vorschlag von Norbert Köppe, 2010 nach Hannover zu kommen.
Der Schatzmeister Abel Doering legte in seinem Kassenbericht eine insgesamt ausgeglichene Bilanz vor. Durch zurückgegangene Mitgliederzahlen sind weniger Einnahmen zu verzeichnen, was durch Werbung neuer Mitglieder ausgeglichen werden könnte. Im Namen der Revisionskommission berichtete Jutta Osterhof, daß eine Überprüfung keine Beanstandungen ergeben hat und beantragte die Entlastung des Vorstands und der Revisionskommission. Nach der Entlastung gab WK noch Auskunft zur Arbeit der Regionalgruppen und rief zur Mitgliederwerbung auf. Dann begann die Wahlkommission, bestehend aus Marita Hoffmann und Dr. Carsten Wurm, ihre Arbeit. Entgegen früheren Aussagen erklärte der Vorsitzende: »Ich mache weiter!« - ein Satz, der mit großer Freude und Erleichterung aufgenommen wurde. Da auch keine neuen Kandidaten nachdrängten, kam es zu einem seltenen Wahlergebnis: Sowohl der Vorstand wie die Revisionskommission blieben in der gleichen Besetzung wie vor zwei Jahren: Dr. WK, Prof. Dr. Peter Arlt, Abel Doering, Ferdinand Puhe, Konrad Hawlitzki sowie Jutta Osterhof, Hiltraud Schröder und Klaus Bartel.
Am Abend traf man sich vor den Toren der Stadt im Landgasthaus »Breitenbacher Hof« in Hürth, wo eine von Linde Kauert und Heinz Hellmis äsopisch fabelhaft gestaltete Speisekarte zu einem ebenso fabelhaften Festessen einlud, dem so fleißig zugesprochen wurde, daß erst lange nach 22 Uhr die angekündigte »Kleine Auktion« beginnen konnte. Eine bunte Mischung schöner Bücher kam auf Gebote meist zwischen 15 und 30 Euro, so von Boccaccio, Goethe, Kleist und Thomas Mann über Albert Kapr, Rössing und Herbert Kästner bis zu Karl-Diether Gusseks Weingedichten; und nur ein von Klemke signiertes Exemplar der Bellman-Episteln brachte es auf über 50 Euro. Daß denn doch letztlich 548 Euro in die Pirckheimer-
Kasse flossen, ließ den Abend zuversichtlich abschließen.
Der 27. September hielt bis zum Nachmittag eine Palette von sieben Angeboten bereit, Kölner Kultur in Geschichte und Gegenwart zu erleben. Durch das Aufsuchen der über die ganze Innen-, Alt- und Neustadt verstreuten Treffpunkte lernte der Ortsfremde auch gleich das recht turbulente Kölner Straßenleben kennen. In der im grünen Universitätsviertel gelegenen Universitätsbibliothek erwartete Wolfgang Schmitz die Gäste zu einer Führung durch das Gebäude der sechziger Jahre, das, als Magazinbibliothek angelegt, nunmehr einen Bestand von zirka 3,7 Millionen Bänden beherbergt. Hervorgegangen aus der Zusammenfügung der alten Kölner Stadtbibliothek, der Gymnasialbibliothek, der Bibliothek der Handelshochschule und mehrerer Klosterbibliotheken besitzt sie in der Abteilung Historische Sammlungen eine Reihe von Sondersammlungen wie die Rheinische Bibliothek, eine große Island-Sammlung oder die Bibliothek Otto Wolff von Amerongen (18. Jahrhundert- Sammlung). Nach einer Wanderung durch die Magazine sah man im Lesesaal der Historischen Bestände eine Anzahl von Zimelien ausgestellt, von denen nur drei genannt seien: die Kohlhoffsche Chronik der Stadt Köln von 1499 mit des Kölner Erstdruckers Ulrich Zell Erinnerungen an Gutenberg, eine Ptolemäus-Ausgabe, herausgegeben von Willibald Pirckheimer (aus der Kölner Jesuitenbibliothek), und ein Band der Neuen Rheinischen Zeitung mit dem Freiligrath-Gedicht in der letzten Nummer. Im Foyer des Hauses war unter dem Titel Ein Buch ist nicht nur Lesegrießbrei eine Ausstellung von Objektbüchern und Buchobjekten des Malers Hartmut Ritzerfeld, einst Meisterschüler von Joseph Beuys, zu sehen, die von der Aachener Sammlerin Edith Hochscherff eingehend interpretiert wurde. Im Historischen Archiv der Stadt Köln führte Andrea Wendenburg durch die Ausstellung »Kein schöner Ding auf dieser Welt, als seine Feinde zu beißen ...« Rheinische Literatur in Vormärz und Revolution 1840 bis 1850. Auf die Spuren dieser Literatur und der Rheinischen Zeitung begab sich eine Expedition unter Leitung unseres Berliner Mitglieds Dr. François Melis zu einem historischen Stadtrundgang. Während Prof. Dr. Heinz Finger auf charmante Weise die Schätze der Erzbischöflichen Diözesan- und Dombibliothek zeigte, empfing der seit 50 Jahren als freier Graphiker, Illustrator und Pressenverleger in Köln lebende Eduard Prüssen mit seiner Frau und Mitarbeiterin die Besucher, die den Weg in die Thieboldsgasse gefunden hatten. In einer Kombination von Wohnung, Atelier und Ausstellung in kleinen hellen Räumen fand man die kostbaren Drucke der Donkey-Press, der origill-Serie und der Kleinen Reihe ausgebreitet. Wer durch den tags zuvor bei der Ankunft erhaltenen Original-Linolschnitt Pegasus gibt Laut Lust auf mehr bekommen hatte, konnte hier aus einer Fülle von Einzelblättern und Büchern auswählen und eventuell etwas vom Meister selbst erwerben. Eine knappe Übersicht über Leben und Gesamtwerk bietet die Festschrift Eduard Prüssen Fünfundsiebzig von Werner Grebe, die 2005 vom Antiquariat Venator & Hanstein herausgegeben wurde und außer vielen Abbildungen auch zwei Original-Linolschnitte enthält. Im Kunsthaus Lempertz am Heumarkt fanden gerade die Herbstauktionen von Venator & Hanstein statt. Trotz der laufenden Auktion Moderne Graphik nahm sich der Geschäftsführer Karlheinz Knupfer die Zeit, die erschienenen Pirckheimer durch alle Etagen des großen Auktionshauses zu führen und die Geschichte und nicht leichte gegenwärtige Lage der traditionsreichen Firma zu schildern. Mit schweren Katalogen bepackt verließen die Besucher den geschäftigen Ort, um sich zum Kolpinghaus am Römerturm durchzuschlagen, wo alle Pirckheimer wieder zusammentrafen. Als Gäste der Bibliophilen-Gesellschaft in Köln, die hier ihre traditionellen Teestunden abhält, wurden wir vom Vorsitzenden Hanns Th. Schmitz-Otto begrüßt. Die Einladungskarte, von Eduard Prüssen gestaltet und mit einem Porträt des Architekten Fritz Schumacher aus seiner Reihe Kölner Köpfe versehen, lud zur 460. Teestunde, einem Lichtbildervortrag von Dr. Johanna Gummlich-Wagner über Memorialbilder und versteckte Signaturen in illuminierten Handschriften aus dem Klarissenkloster St. Klara in Köln. Die Referentin ging von der frühen Kölnischen Buchmalerei aus, speziell dem Johann Valkenburg-Graduale von 1299, von dem erst im März 2008 zwei Blätter bei Venator & Hanstein versteigert wurden. Sie widmete sich dann den Miniaturen des Kölner Klarissenskriptoriums aus dem 14. Jahrhundert (Klostergründung 1306), so dem Petronilla-Graduale, und erforschte die dort versteckten Kryptosignaturen, die sich in vier Gruppen unterscheiden lassen. Das vorsichtige Unterlaufen des Anonymitätsprinzips mag verschiedene Deutungen zulassen, die Nonnenfigürchen mögen der
Jenseitsvorsorge gedient haben. Diese spezielle Forschungsarbeit gab den Zuhörern einen Einblick in das heilige Köln, wie Wolfgang Schmitz in seinen Dankesworten feststellte. Auch WK dankte den Kölner Bibliophilen und überreichte einige Gaben der Pirckheimer-Gesellschaft. Im Römerturm-Restaurant des Kolpinghauses International vereinte dann ein gemeinsames Abendessen noch einmal die Kölner und ihre Gäste. Viele Gespräche bei Rheinwein oder Kölsch ließen den anstrengenden Tag ruhig ausklingen, allerdings hatten so manche Pirckheimer noch einen langen Weg in ihre Quartiere in Hürth oder anderen Vororten Kölns vor sich.
Am Sonntag war Schloß Wahn in Richtung Bonn der Ort der letzten Veranstaltung des Treffens. Im geräumigen Hof der spätbarocken ehemaligen Wasserschloßanlage versammelte man sich im Morgensonnenschein, und hier enthüllte sich das Geheimnis des nahezu immer schönen Wetters bei den Pirckheimertreffen: Unsere wiederum älteste Teilnehmerin, Ursula Krüger aus Potsdam, trägt immer einen kleinen Wettergott bei sich, der offenbar ein Herz für Bibliophile hat. Im Gartensaal des Schlosses, das seit 1955 die theaterwissenschaftliche Sammlung der Universität zu Köln beherbergt, breitete schon der Redner des Festvortrags seine mitgebrachten Schätze aus. Prof. Dr. Werner Grebe, durch Prof. Wolfram Körner vor Jahren selbst Pirckheimer geworden, sprach über Hugo Steiner-Prag. Ein Leben für das schöne Buch. Eine frei und lebendig vorgetragene Würdigung dieses großen Buchkünstlers des 20. Jahrhunderts, untermauert durch Lichtbilder und ausgelegte seltene Originalausgaben wie die große Golem-Mappe, die Jüdischen Gebete (New York 1963), frühe Bücher oder eine Exlibris-Sammlung. Dieser mit großem Beifall aufgenommene würdige Abschluß des Treffens wurde noch mit einem Sektempfang im Vorsaal durch die Schloßherrin gekrönt. Heiter und beschwingt trat man die Heimreise an, bis nach Neubrandenburg, Großhennersdorf oder Zürich - bis nächstes Jahr in Weimar.