Redaktionsschluss 4. April 2008

Wir gratulieren unseren Mitgliedern
Neue Mitglieder
Carlos Kühn 80 Jahre alt
The Paris Olympia Press
Experimente mit dem Laut
Schönste Bücher 2007 in Berlin
Neuerwerbungen des letzten Jahres
Zum 100. Todestag von Wilhelm Busch
Links und rechts: Politische Verleger im 20. Jahrhundert
Allerlei für gute Kinder
Die Buchstadt Leipzig – Mythos und Symbole
Hans-Meid-Vortrag beim Leipziger Bibliophilen-Abend
Niederländische Graphik des 17. Jahrhunderts

 

 


 

Wir gratulieren unseren Mitgliedern. Zum 40. Geburtstag: Jens Beck (Schweinfurt) am 26. 7., Christian Bartsch (Berlin) am 2. 9. Zum 50. Geburtstag: Peter Petrej (Zürich) am 15. 8., Dr. Michael F. Scholz (Berlin) am 15. 9. Zum 60. Geburtstag: Hartmut Erlemann (Eutin) am 2. 8., Klaus Roland (Frankfurt a.M.) am 22. 9., Wolfgang Günther (Plauen-Jößnitz) am 26. 9. Zum 65. Geburtstag: Wolfgang Fraißl (Bruchsal) am 31. 7., Dr. Bernt Felgenhauer (Würzburg) am 21. 8., Prof. Dr. Steffen Dietzsch (Berlin) am 21. 8., Roland Mayer (Altdorf) am 14. 9., Rainer Müller (Dresden) am 14. 9., Riewert Quedens Tode (Berlin) am 20. 9. Zum 70. Geburtstag: Dieter Beuermann (Berlin) am 24. 8. Zum 75. Geburtstag: Prof. Dr. Harald Deckart (Berlin) am 5. 8., Dr. Siegfried Seidel (Leipzig) am 9. 9., Richard Täufel (Berlin) am 21. 9. Zum 80. Geburtstag: Carlos Kühn (Berlin) am 2. 7., Otto Gransitzki (Schönwalde) am 5. 8., Prof. Dr. Friedhilde Krause (Berlin) am 18. 8., Emil Georg Schrade (Aachen) am 16. 9. Zum 86. Geburtstag: Dr. Ursula Bleich (Berlin) am 26. 8. Zum 87. Geburtstag: Eberhard Wolff (Halle/Saale) am 26. 9.

Neue Mitglieder: Siegfried Bresler, Lehrer, Bielefeld. Annika Rockenberger, Berlin.

Carlos Kühn 80 Jahre alt. Den Berliner Bibliophilen wohlbekannt ist der Antiquar Carlos Kühn, der am 2. Juli 2008 seinen 80. Geburtstag begeht. Sein Ladengeschäft in der Schöneberger Martin-Luther-Straße war und ist seit Jahrzehnten für viele Sammler ein liebgewordener Ort, an dem sie nicht nur ihrer Leidenschaft frönen können, sondern auch einen kundigen Buchexperten zum Gedankenaustausch finden. Dieser oder jener wird auch zu den Beziehern seiner immer gründlich gearbeiteten und gut gedruckten Kataloge gehört haben. Sein Handwerkszeug hat er nach Abschluß eines Studiums der Germanistik, Kunstgeschichte und Theaterwissenschaft an der Freien Universität im Auktionshaus Galerie Gerd Rosen von 1956 bis 1962 erworben. Er blieb im Haus weitere Jahre unter Leitung von Gerda Bassenge, ehe er 1966 im Antiquariat Stern-Verlag Düsseldorf sein Glück versuchte. Seine Hauptleistung war dann das 1953 gegründete Antiquariat Carl Wegner in Berlin, das er als Mitinhaber, später Alleininhaber von 1969 bis 2001 führte. Dort, bei seinem Nachfolger, kann man ihn noch heute am ehesten erreichen, wenn man ihn sprechen möchte – weiterhin „im geliebten ‚Altpapier’ vagierend“, wie er untertreibend schreibt. Kühn ist nicht nur Kaufmann, sondern auch Sammler, der eine inzwischen abgeschlossene Sammlung von Buchhändlermarken zusammengetragen hat und weiterhin an den Gebieten Buchhandelsgeschichte und Lesezeichen baut. Zu seinem Bücherleben gehören die Mitgliedschaften im Berliner Bibliophilen Abend und in der Pirckheimer-Gesellschaft, aus deren Kreisen ihm zum Geburtstag viele gute Wünsche erreichen werden.

The Paris Olympia Press. Wohl in den fünfziger Jahren war Prof. Dr. Wolfram Körner zufällig auf unscheinbare grüne, englischsprachige Taschenbücher mit weißem Rückentitel aufmerksam geworden. Darunter fand sich auch Wladimir Nabokovs Lolita in der Erstausgabe von 1955. Aus Neugier hielt der Sammler Ausschau nach weiteren Bändchen der preiswerten Reihe The Traveller`s Companion Series von Olympia Press Paris. Vieles kam im Laufe der Zeit zusammen. Den Pariser Olympia Press Verlag mit seiner abenteuerlichen Erfolgsgeschichte und die eigenen Sammlererfahrungen stellte Wolfram Körner am 24. Januar 2008 im Kreise zahlreicher Pirckheimer-Freunde aus Berlin und Brandenburg vor. Ein bunter Bücherberg verhieß einen unterhaltsamen Abend, und das Motto „Literarisch? Pornographisch? Bibliophil?“ tat ein übriges. Augenzwinkernd verriet der Sammler, der schon als Arzt und Konsiliarius aus der DDR in das ferne kapitalistische Ausland reisen konnte, die zum Teil kuriosen Wege des Erwerbs. Der Zoll mußte überlistet werden, überhaupt waren bei Porno-Verdacht und „West-Publikationen“ Vorsicht und Diplomatie geboten. Doch die Einfuhr der Einkäufe und der Tausch gelangen meist problemlos. Besonders lohnend war der Tausch mit dem New Yorker Erotik-Antiquar Cliff Scheiner. Von ihm kam auch die wichtige Olympia Press-Bibliographie von Patrick J. Kearney (London 1987), die für Recherche und Erschließung der Funde unerläßlich wurde.
Nach 1989 wurde die Sache einfacher. So konnten bei einer Auktion gleich 50 Broschüren zum günstigen Aufrufpreis erworben werden. Zu spät kam er bei dem Sammlerfreund Karl Ludwig Leonhardt, der kurz vor einem Besuch bei Körners seine vollständige Reihe der T. C. Series an einen Amerikaner verkauft hatte. Dennoch umfaßt die Körnersche Sammlung nun etwa 120 Pariser Ausgaben und mehrere hundert aus den anderen Verlagsteilen in London, New York, Mailand und Frankfurt am Main.
Mit sichtlichem Vergnügen führte Wolfram Körner die Zuhörer in die skandalumwitterte, aber doch auch verdienstvolle Verlagsgeschichte ein. Im Frühjahr 1953 gründete Maurice Girodias, der Sohn von Jack Kahane, dem bekannten Verleger der Obelisk Press (Joyce u.a.), seinen Verlag, den er, angelehnt an das O von Obelisk Press und nach Eduard Manets Skandalbild Olympia (1863), The Paris Olympia Press nannte. Er wollte hauptsächlich eine Serie von „dirty books“ in englischer Sprache herausgeben, deren Druck in England und den USA verboten war. Der Verlag wurde weltweit in der Szene bekannt und konnte florieren, wenn auch keine Reichtümer erwirtschaften. Es erschienen auch Werke von bedeutenden Autoren, die von großen Verlagen zurückgewiesen worden waren, etwa von Henry Miller (Plexus, 1953), Samuel Beckett (Watt, schon 1953), englische Übersetzungen von George Bataille, Jean Genet, Pierre Louys, Guillaume Apollinaire. Dadurch wurden die Autoren in der englisch sprechenden Welt bekannt. Neben den Taschenbüchern wurden auch einige bibliophil anmutende Bände ediert, so eine Werkauswahl von Bataille (1956) oder Under the hill, die romantische Erzählung von Beardsley (1959; zuerst 1904) gar im Seideneinband mit Goldschrift, auf gutem Papier gedruckt.
Es erschien aber auch Pornographisches von zahlreichen Autoren und Autorinnen, fast immer unter Pseudonymen, die Girodias, meist passend zum Roman, erfand: Akbar del Piombo, Wuwumeng, Carmencita de las Lunas, Marcus van Heller usw. Eine rigide Zensur und juristische Probleme ziehen sich durch die ganze Verlagsgeschichte. Olympia Press firmierte zur Täuschung zum Beispiel auch als Othello Press, Ophelia Press, Atlantic Library. Trotz dieser Bedrängnisse konnte der Verlag leben, bis er 1964 in Zusammenhang mit einem von Girodias eingerichteten Vergnügungsetablissement in Paris praktisch Pleite ging und die Tätigkeit nur in London, New York, Mailand und Frankfurt weiterlief. Der New Yorker Verlag endete 1974, der deutsche in den achtziger Jahren. Beide mit Texten von deutlich minderer Qualität.
Maurice Girodias wurde als „the king of porne“ bezeichnet, von anderen als „der Lenin der sexuellen Revolution“. Aber was besagte das? Er war ein guter Menschenkenner, sehr belesen. Ein bedeutender Verleger mit ausgeprägtem Qualitätsgefühl, bewandert auch in der Technik des Büchermachens. Er starb am 3. Juli 1990 in Paris, kurz nach dem Erscheinen des zweiten Teils seiner Autobiographie. Wolfram Körners Resümee: Der Verleger hat große Verdienste um die Lockerung und Überwindung der Zensur in Frankreich, Großbritannien und den USA, Verdienste um die Durchsetzung von Werken großer Außenseiter. Der Verlag war natürlich auch pornographisch ausgerichtet, doch bereicherte er andererseits die Bibliophilie durch berühmte Erstausgaben, durch Buchreihen und Ausgaben von Travestien klassischer Literatur.
Schmunzelnd und doch auch empört verwies der Sammler nebenbei auf eine in letzter Zeit festzustellende Art privater, nicht amtlicher Zensur von erotischer Literatur. Rechtsanwälte wollen Geld verdienen, indem sie Abmahnungen an Antiquare verschicken, die Angebote bestimmter Bücher aus einer Liste der Bundesprüfstelle ins Internet stellen, darunter Bücher der Olympia Press.
Ursula Lang

Experimente mit dem Laut. Der Lautpoet
Valeri Scherstjanoi war am 14. Februar bei den Berlin-Brandenburger Pirckheimern zu Gast. Scherstjanoi, Kenner, Vermittler und Sammler des russischen Futurismus, ist durch eigene experimentelle künstlerische Arbeiten, als Autor und Herausgeber, vor allem aber als Lautpoet hervorgetreten und geschätzt. Seit 1979 lebte der Künstler in der DDR, lernte schon bald Carlfriedrich Claus im Erzgebirge kennen, dem er fortan – auch durch gemeinsame Projekte – freundschaftlich verbunden blieb. Er wurde, neben Majakowski schon aus frühen Jugendjahren, einer seiner beiden „Leuchttürme“.
In lebendigen beziehungsreichen Ausführungen spürte Scherstjanoi Besonderheiten der Lautpoesie des russischen Futurismus und der Lautexperimente von C. C. nach, aber auch Berührungspunkten und Unterschieden. Alexej Krutschonychs Neologismus „Gesprengst“ (russ. „Wsorwal“), dem Abend leitmotivisch vorangestellt, blieb als „selbstwertiges“ Lautwort bis zum Schluß im Ohr, zumal Krutschonychs Stimme dann auch im O-Ton zu hören war und die vielseitigen fruchtbaren Aktivitäten seines saumnischen Schaffens in der futuristischen Bewegung immer wieder in den Blick kamen.
Mit Krutschonych (1886-1968) und auch mit Welimir Chlebnikow (1885-1922) fühlte sich C. C. solidarisch. Er fand in deren Radikalitäten Bestätigung für eigene Intentionen, war davon überzeugt, daß „Momente experimenteller Literatur für einen kommunistischen Realismus von Bedeutung sein können“. Durch die „figura 3“ in der Internationalen Buchkunst-Ausstellung 1982 in Leipzig hatte er die Saum kennengelernt und Krutschonych und Chlebnikow in Texten und Sprachblättern gewürdigt: Krutschonych nimmt den „Kerkeraspekt natürlicher Sprache wahr“, Chlebnikows multivalentes Werk ist „Vorschlag zur Selbst-Bewußtmachung in Sprache und in Schrift“.
Die eigenen Lautexperimente indessen reichten bis 1944 zurück („das war natürlich noch nix“). Früh ermutigt durch Hans Arp und Raoul Hausmann, später – auch durch die Beschäftigung mit Tibetologie und parapsychologischen Erfahrungen – entstanden sie parallel zu seinen Sprachblättern. Claus sprach von „Lautprozessen“, versuchte anfangs „Worte für Dinge, für die noch keine Worte da sind“, zu finden, ließ später die „puren Klanggebilde“ fallen und näherte sich auf seine Weise den harten Konsonantengedichten Krutschonychs: „zum Sprung ansetzen“, „gegen Widerstand durchbrechen“. Scherstjanoi machte dies überzeugend hörbar. C. C’s Lautexperimente waren nur auf Tonband fixierbar, nicht auf Papier; seine Selbstversuche mit dem Laut galten psychischen Reaktionen des Körpers – Leben als Experiment. Auch für die russischen Futuristen waren die Lautexperimente aufklärerisch begründet, keine formal-ästhetischen Übungen.
Überraschend hatte Scherstjanoi Lenins Stimme im O-Ton parat, Beispiel für die Massenwirkung „natürlicher Sprache“ und auch passend dazu Lenins Urteil über die futuristische Dichtung: „… Das ist eine besondere Art des Kommunismus. Das ist ein Hooligan-Kommunismus.“ – Wie erging es Carlfriedrich Claus in der DDR? „… die Kommunisten sahen mich als Feind, also, die eigentlich meine Freunde … hätten sein sollen, aber sie waren’s eben nicht.“ Der Abend endete eindrucksvoll mit einem Hörbeispiel aus dem „Lautaggregat“ von C. C., das der WDR Köln 1993 produziert und gesendet hat.
Ursula Lang

Schönste Bücher 2007 in Berlin. Trotz massiver Verkehrsbehinderungen und nicht gerade frühlingshaften Wetters in Berlin erschienen an diesem 6. März außer nicht wenigen Pirckheimern besonders viele Gäste im Kleinen Säulensaal der Zentral- und Landesbibliothek, darunter mehrere Gestalter von prämiierten Büchern des Jahrgangs 2007. In bewährter Weise unternahm Uta Schneider von der Stiftung Buchkunst einen Rundgang um die ausgebreiteten Bücher und erläuterte an besonders gelungenen oder interessanten Beispielen die Entscheidungen der Jury. Diese hatte wie im vorigen Jahr 45 Prämiierungen ausgesprochen, dazu 16 Anerkennungen, herausgefiltert aus 1056 Einsendungen von 467 Verlagen! Dieser neue Rekord nötigte die Jurys zu wahren Marathonsitzungen, und die vielen annehmbaren Lösungen für Gestaltung, Konzeption und Verarbeitung machten die Entscheidungen alles andere als leicht. So wurden allein für die Gruppe 5: Kunstbücher, Fotobücher, Ausstellungskataloge 319 Titel eingereicht. Um den Wettbewerb nicht zu einem reinen Kunstbuchwettbewerb werden zu lassen, wurden hier besonders strenge Maßstäbe angelegt. Dennoch wurde die Gruppe 5 mit neun Prämiierungen und drei Anerkennungen sowie dem 3. Preis der Stiftung Buchkunst für das Buch Werkkunst (Verlag für Druckgrafik Hans Gieselmann, Bielefeld), wiederum die stärkste Gruppe (davon drei Titel vom Steidl Verlag, Göttingen). Der ungewöhnlich hoch dotierte 1. Preis der Stiftung Buchkunst ging an das mitreißend gestaltete Sachbuch Jazz – Im New York der wilden Zwanziger (Gerstenberg Verlag, Hildesheim).
Von Uta Schneider hervorgehoben wurden auch die stattliche illustrierte Ausgabe von Georg Forsters Reise um die Welt (Eichborn Verlag, Frankfurt a. M.), und Brehms verlorene Tierleben von Hanna Zeckau und Carsten Aermes (2001, Frankfurt a. M.), ein illustriertes Lexikon der ausgestorbenen Vögel und Säugetiere. Die Taschenbuchproduktion des Jahres 2007 zeigte insgesamt eine erfreuliche Entwicklung, so erhielt die Beck' sehe Reihe Die großen Geschichten der Menschheit eine Reihenprämiierung und auch die Verlage Rowohlt, Wagenbach und Heyne glänzten mit einzelnen Titeln. Unter den wenigen Kinderbüchern fiel ein Bilderbuch von Thomas Rosenlöcher und Maja Bohn bei Hinstorff (Rostock) auf, während die zwölfbändige Jubiläumsedition Astrid Lindgren bei Oetinger (Hamburg) eine Anerkennung erhielt.
Der 2. Preis der Stiftung Buchkunst ging jedoch an ein wunderbar klares Schulbuch, den Kunst-Bildatlas bei Klett und Erhard Friedrich Verlag (Velber). Aus der Gruppe 8, der Sonderfälle, hat ein äußerlich ganz unscheinbares Sachbuch vom Institut für Buchkunst (Leipzig) schon internationale Aufmerksamkeit erregt: Helmut Völters Handbuch der wildwachsenden Großstadtpflanzen. Von den drei Förderpreisen für junge Buchgestalter, die auch für Bücher vergeben werden, die nicht im allgemeinen Wettbewerb prämiiert wurden, sei der an Tanja Mix (Tübingen) gegangene genannt: die souveräne typographische Bewältigung eines umfänglichen Völkerstrafrecht-Lehrbuches bei Mohr Siebeck (Tübingen) überzeugte die Sonderjury offenbar einmütig. Ein ansehnlicher Jahrgang mit vielen schon auf den ersten Blick ansprechenden Büchern läßt durchaus eine weitere positive Entwicklung erwarten, wenngleich die Grenzen des Wachstums nach Überschreitung der 1000 Titel wohl langsam erreicht sein dürften. Die Bücher waren nun für eine nähere Betrachtung freigegeben, man drängte sich um die Tische und konnte mit den anwesenden Fachleuten der verschiedenen Disziplinen ins Gespräch kommen.
Konrad Hawlitzki

Neuerwerbungen des letzten Jahres. Erwartungsgemäß gestaltete sich der jährliche „Mitbringselabend“ der hallischen Pirckheimer auch am 29. Januar 2008 wieder zu einer lebendigen und anregenden Begegnung. Fünfzehn Sammler stellten Neuerwerbungen oder auch wiederentdeckte „Altschätze“ aus ihrem Besitz vor und sprachen über deren Besonderheiten und die glücklichen oder auch mühseligen Umständen ihres Erwerbs. Vorrangig ging es diesmal um Bücher, wobei die zahlreichen Freunde der Insel-Bücherei ebenso auf ihre Kosten kamen wie die Liebhaber seltener bibliophiler Ausgaben. Doch Seltenes gab es auch in der Insel-Bücherei zu bestaunen, nämlich eines der wenigen Exemplare der einst zurückgezogenen Ausgabe von John Heartfields Fotomontagen aus den Jahren 1924 bis 1944 (1978), mit dessen spannender Geschichte seiner späteren Vervielfältigung sein Besitzer die Präsentation begleitete. Weitere interessante IB-Ausgaben, so die Geschichte der Anna-Amalia-Bibliothek von Anne Seemann oder der Nachdruck des 1912 gedruckten ersten Inselbändchens, Rainer Maria Rilke: Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke, stellten wieder einmal diese begehrte und traditionsreiche Reihe in den Mittelpunkt. Nur einige der vorgestellten Bücher können hier genannt werden. Dazu gehören die vom Verlag Faber & Faber edierte zweibändige Ausgabe Das Kapital von Karl Marx (2007) mit Illustrationen von Klaus Waschk, Käthe Reichels Windbriefe an den Herrn b.b. (2006) oder die mit großer Aufmerksamkeit und Heiterkeit aufgenommene Liedersammlung Geh aus mein Herz und suche Freud von Paul Gerhardt (2007), illustriert von Egbert Herfurth, sowie die reizvolle Sammlung der Illustrierten Grüße aus drei Jahrhunderten (2003), zusammengestellt von Rolf-Bernhard Essig und Gudrun Schurig, Patrick Mauriès’ Kuriositätenkabinett (2002) und Pierre Bayards Ausführungen Wie man über Bücher spricht, die man nicht gelesen hat (2007).
Besonders interessant und unterhaltsam gestaltete sich die Vorstellung der Bücher dann, wenn sich daran Anekdoten und persönliche Erlebnisse mit deren Autoren oder Gestalter verbanden, so bei den von Prof. Dr. Wolfgang Kirsch präsentierten Büchern Der steinerne Mann und andere Erzählungen aus dem Orient (1975) von Heinz Kreißig und Von Gott erzählen. Geschichten aus dem Alten und Neuen Testament (1986), die an einen anregenden Abend mit dem inzwischen verstorbenen Buchkünstler Horst Bartsch erinnerten. Auch von Horst Hussel illustrierte Ausgaben wurden gezeigt, darunter der Lyrikband von Johannes Bobrowski Wer mich und Ilse sieht im Grase (1964), Stefan Heyms Schmähschrift der Königin gegen Defoe (1975) oder die sorbische Sprichwortsammlung Worte hart wie Nüsse (1980). Die speziellen Sammlungsgebiete der Mitglieder zeigten sich vor allem im Bereich der älteren Literatur, beispielsweise bei den von Dr. Walter Müller präsentierten Volks-, Haus- und Wirtschaftskalendern, deren ältester aus dem Jahr 1791 stammte. Eine sozusagen „moderne Handschrift“ und echtes Unikat hatte der Sammler ebenfalls aufstöbern können – einen sehr persönlich geschriebenen Bericht über Ferien in der Sächsischen Schweiz, den ein junges Mädchen aus Westdeutschland 1970 verfaßt und mit vielen fotografierten, gezeichneten und geklebten Zutaten ausgestattet hat. Interessanterweise hatte eine weitere Teilnehmerin den Briefroman von Dinah Nelken Ich an Dich (1939) mitgebracht, dessen gestalterische Lebendigkeit die den drei Jahrzehnte später niedergeschriebenen Bericht angeregt haben könnte. – Der lange Abend verging viel zu schnell und bestätigte abermals, daß sich Sammlerfreuden, die man mit anderen teilt, verdoppeln und vervielfachen können.
Ute Willer

Zum 100. Todestag von Wilhelm Busch. Seit einiger Zeit bietet die hallische Stadtbibliothek den Pirckheimern Unterkunft. Die bedankten sich am 27. März 2008 mit einem Diavortrag ihrer Schriftführerin, Dr. Ute Willer, für dieses Entgegenkommen. So fand erstmals eine gemeinsamer Abend der beiden Veranstalter statt, und der hatte ein zahlreiches Publikum versammelt. Kenntnisreich und humorig wie stets sprach die Referentin über das Leben und die berühmtesten Bildergeschichten des Meisters, aber auch über weniger bekannte Bereiche seines Schaffens – Lyrik, Prosa und besonders ausführlich über das fast unbekannte, jedenfalls unterschätzte malerische Werk des Meisters. Wilhelm Busch war ja im Unterschied zu Schriftstellern, die auch zeichne(te)n oder mal(t)en, tatsächlich eine Doppelbegabung mit gleich ausgeprägtem Sinn für das Bildnerische wie für die prägnante, das Wesentliche erfassende Formulierung  Verse wie diese: „Mit scharfem Blick nach Kennerweise / Seh’ ich zunächst mal nach dem Preise, / Und bei genauerer Betrachtung / Steigt mit dem Preise auch die Achtung“ gelten für den heutigen Kunstbetrieb nicht weniger als für den des 19. Jahrhunderts. Um so bemerkenswerter ist, daß Wilhelm Busch, der bei seinem Vater wie an den Kunstakademien auf Vorbehalte gestoßen war und erst im Freundeskreise zu seiner eigentlichen Begabung fand, für seine Person ihrer nicht froh wurde, sondern sich seiner Erfolge schämte. Auch ein guter Geschäftsmann war er nicht  doch auch keine verkrachte Existenz. Eine Hochbegabung von erstaunlicher menschlicher Normalität.
Ki.

Links und rechts: Politische Verleger im 20. Jahrhundert hieß das Thema, mit dem der Leipziger Bibliophilen-Abend am 8. Januar sein Veranstaltungsjahr 2008 eröffnete und ein zahlreiches Publikum um Prof. Dr. Hans Altenhein als ausgewiesenen Referenten versammelte. Seine material-, ja detailreichen und anregenden Ausführungen fanden große Aufmerksamkeit, Zuspruch, auch Widerspruch. Das starke Interesse am Thema dürfte zweifelsohne von dessen Anbindung an die tragenden Konflikte und politischen Verwerfungen des vergangenen Jahrhunderts herrühren – hier machten Prof. Altenheins Ausführungen auch weiteren Klärungsbedarf deutlich. Die weißen Flecke auf dieser Wissens- und wissenschaftlichen Landkarte lassen sich möglicherweise erst durchforschen mit der Vervollkommnung und Verfeinerung des dafür zur Verfügung stehenden Instrumentariums – dies beginnt im Terminologischen (»politischer Verleger«) und setzt sich fort mit einer differenzierten Verortung des Untersuchungsgegenstandes in den jeweiligen Zeiten und politischen Systemen.
E. Patzig

Allerlei für gute Kinder präsentierte am 6. Februar 2008 Carola Pohlmann (Staatsbibliothek zu Berlin) den Leipziger Bibliophilen. Das Thema „Bilderbogen und ihre Bedeutung für die Kinderkultur im 19. Jahrhundert“ hatte ein zahlreiches Publikum ins Haus des Buches gelockt, und bereits vor Beginn der Veranstaltung wurden die aus Berlin mitgebrachten sowie die freundlicherweise von der Deutschen Bücherei (jetzt Deutsche Nationalbibliothek) bereitgestellten Schätze ausgiebig betrachtet. In ihrem Vortrag ging die Referentin zunächst auf die historische Entwicklung der Bilderbogen ein, beginnend mit Einblattdrucken, Heiligenbildern, Katechismustafeln und Tafeln zum Erlernen des ABC, zunächst im Holzschnitt, später auch im Kupferstich ausgeführt. Besonders der süddeutsche Raum (Augsburg, Nürnberg) entwickelte sich zu einem Zentrum der Bilderbogen-Produktion, und bedeutende Künstler, zum Beispiel Dürer und Burgkmair, nahmen sich dieses Genres an. Den zunächst überwiegend religiösen Motiven gesellten sich im 18. Jahrhundert auch profane Themen bei, moralische Beispielerzählungen, Mahn- und Kinderschreckfiguren, die entweder mit drastischen, nicht selten gar sadistischen Strafen drohten oder aber als Bestrafung die Folgen der unrechten Tat erleiden ließen. Beliebt waren auch Bilderbogen zu Tischzuchten, Gesellschaftsspiele und Bastelbögen, zumal, wenn sie (hand)koloriert waren. In enger Verflechtung dazu sind Bastelbücher, Bücher mit Spielfiguren, die beliebten Miniaturtheater und Dioramen sowie anderes Papierspielzeug zu sehen. Im 19. Jahrhundert erlebten die Bilderbogen den Höhepunkt ihrer Entwicklung; zum einen gestatteten technische Neuerungen (Lithographie, Chromolithographie, Schnellpresse, Endlospapiermaschine) eine kostengünstige Herstellung hoher Auflagen, zum anderen hatte ein Wandel in der gesellschaftlichen Bestimmung des Kindes eine gestiegene Nachfrage nach belehrendem und unterhaltendem Papierspielzeug und Bilderbogen hervorgerufen. Viele der bekannten Bildergeschichten Wilhelm Buschs gelangten zuerst als Bilderbogen an die Öffentlichkeit. Verlage wie Braun & Schneider mit den Münchner, Gustav Kühn mit den Neuruppiner Bilderbogen und andere Offizinen vertrieben Tausende von verschiedenen Motiven in Auflagen von mehreren zehntausend Exemplaren. Bilderbogen wurden zu einer auch ärmeren Volksschichten zugänglichen Massenware, worunter freilich bald die künstlerische Qualität zu verflachen begann. Ende des 19. Jahrhunderts kamen mit den illustrierten Zeitungen und Zeitschriften, mit der Photographie und dem bewegten Bild neue Medien auf, die die Bilderbogen verdrängten. – Auch Fragen nach thematischen Schwerpunkten, beteiligten Künstlern, der Distribution der Bilderbogen und andere wurden in Pohlmanns Vortrag und im anschließenden Gespräch erörtert, dann aber nahm der naive Zauber aus vergangenen Zeiten die Anwesenden wieder gefangen.
H. K.

Die Buchstadt Leipzig – Mythos und Symbole ist der Titel einer soeben im Sax-Verlag erschienenen Edition aus der Feder von Sabine Knopf, die sich um die Aufarbeitung der Leipziger Kulturgeschichte bereits mehrfach verdient gemacht hat. Am 19. Februar 2008 stellte die Autorin das Buch in einer Veranstaltung des Leipziger Bibliophilen-Abends vor und zog weit über 100 Interessenten ins Haus des Buches. Auch nach dem beispiellosen Niedergang der Buchstadt im Gefolge der Wende ist also das besondere „Buchklima“ Leipzigs lebendig geblieben. Im Vortrag von Sabine Knopf ging es allerdings vorzugsweise um die glanzvollen Zeiten, in denen Leipzigs Verleger, Buchhändler und Druckereibesitzer ihre herausgehobene Stellung und die Bedeutung ihrer Unternehmen durch repräsentative Bauten zur Schau stellten. Als Symbole der Buchstadt Leipzig galten bis zum Zweiten Weltkrieg die imposanten Vereinsgebäude des Buchwesens: das Deutsche Buchhändlerhaus, das Deutsche Buchgewerbehaus und die Deutsche Bücherei. Große, oft mehrtägige Gutenberg-Jubiläen sowie die seit dem 19. Jahrhundert alljährlichen Kantatefeiern zur Messe waren für Leipzigs Buchhandel und Buchgewerbe willkommener Anlaß, Traditionen wie neue Errungenschaften zur Schau zu stellen. Im 20. Jahrhundert war Leipzig Schauplatz der Weltausstellung Bugra (1914) und der Internationalen Buchkunst-Ausstellungen, deren letzte 1989 stattfand. – Für das Schmuck- und Repräsentationsbedürfnis der Vertreter des Buchgewerbes und -handels spielten die Symbole dieser Berufszweige Merkur, Minerva und Typographia, Adler, Greif und Druckerwappen, Eule, Schwan und Pegasus eine wichtige Rolle. Fassaden und Interieur vieler Bauten waren mit diesen Symbolen und Allegorien geschmückt und kündeten von Selbstgefühl, Wohlstand und kulturellem Anspruch der Leipziger Buchhändler, Verleger und Drucker. Verlagssignete, Akzidenzien, Vereinsfahnen, Speisekarten zu Vereinsfesten trugen diese Symbole, denen Sabine Knopf in ihrer Abhandlung nachgeht. In dem reich bebilderten Band findet man dafür mannigfache Beispiele, viele von ihnen allerdings nur noch durch historische Aufnahmen dokumentiert, da die Originale Opfer von Krieg und Nachkriegszeit wurden. Aber auch für etliche noch erhaltene Details und manches bedeutsame Gebäude ist es, wie zu befürchten, eine Bestandsaufnahme in letzter Minute. – Jochen Möller, dem die Photographien zu danken sind, hatte vergrößerte Abzüge angefertigt, die pünktlich zur Veranstaltung im Foyer des Hauses in einer kleinen, sehenswerten Ausstellung zu besichtigen waren. - Das flüssig geschriebene Buch von Sabine Knopf, das diese und viele weiter Abbildungen enthält, ist im Handel und beim Verlag zu erwerben (ISBN 978-3-86729-025-8; 18 Euro).
H. K.

Hans-Meid-Vortrag beim Leipziger Bibliophilen-Abend. Am 4. März trafen sich die Freunde des Leipziger Bibliophilen-Abends im Haus des Buches, um einen Vortrag des Berliner Kunsthistorikers Dr. Dominik Bartmann über Leben und Werk des Buchillustrators Hans Meid (1883-1957) zu hören. Ein illustrer Kreis von zirka 50 Freunden des schönen Buches erfuhren vom Kurator der am 19. März im Berliner Stadtmuseum / Ephraim-Palais eröffneten Schau Hans Meid – Welt und Gegenwelt viele Einzelheiten zum buchkünstlerischen Schaffen eines der bedeutendsten Illustratoren der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, aber auch etwas zur Periodisierung des Werkes und zu den äußeren gesellschaftlichen Bedingungen, die – wie etwa die beiden Weltkriege oder die Machtergreifung der Nationalsozialisten – auf die Themen und Arbeitsbedingungen des Künstlers Einfluß hatten. Neben einer Lichtbildschau konnten die Besucher auf den Tischen zahlreiche bibliophile Drucke und Verlagsausgaben aus gut 30 Jahren besichtigen.
Zu der Berliner Ausstellung erscheint ein von unserem Pirckheimer-Freund Prof. Albrecht von Bodecker gestalteter, umfangreicher Katalog, der mit 19,95 Euro überaus preiswert an der Museumskasse erhältlich ist, sowie ein Band Heinrich Heine, Buch der Lieder, mit über 50 Zeichnungen von Hans Meid aus dem Nachlaß, der vom Leipziger Buchkünstler Prof. Gert Wunderlich in Szene gesetzt wurde und sowohl an der Museumskasse als auch im Buchhandel für 24 Euro erhältlich ist.
Michael Faber

Niederländische Graphik des 17. Jahrhunderts. Die Landschafter der Niederlande des 17. Jahrhunderts waren Thema des Mitgliedertreffens der Regionalgruppe Rhein-Main-Neckar am 21. Januar in Hirschberg an der Südlichen Bergstraße. Pirckheimer-Freund Karlheinz Schacherer hatte aus seiner schier unerschöpflichen Graphiksammlung viele repräsentative Exemplare jener Zeit der hohen Kunst der Landschaftsgraphik zur Belebung seines Vortrags mitgebracht. Die Blütezeit dieser Kunstepoche in den Niederlanden lag in den Jahrzehnten zwischen 1630 und 1680. Neben Rembrandt gab es eine große Zahl von Radierern und Kupferstechern, welche die hohe Kunst der Landschaftsgraphik beherrschten. Natürlich spielte in diesen Jahrzehnten auch die Genreszene eine große Rolle. Der Referent des Abends aber hat eine persönliche Vorliebe für die Landschaftsdarstellung.
Zunächst stellte Karlheinz Schacherer den Maler, Zeichner und Radierer Antonie Waterloo (ca. 1610-1690) vor, der insbesondere durch seine topographischen Blätter von Amsterdam bekannt wurde. Der auch zeitweise in Lüneburg tätige Künstler war auch als Verleger tätig. Er hinterließ ausgearbeitete Landschaften in unterschiedlichen Techniken, von denen Schacherer einige zeigte, darunter auch Motive in verschiedenen Zuständen. Vom Maler Jan Both (1615-1652 ) sind nur zehn Radierungen bekannt, von denen die Pirckheimer repräsentative Beispiele einer reifen Technik betrachten konnten. Allaert van Everdingen (1621-1675), der auch in Norwegen und Schweden gelebt hatte, verarbeitete viele Eindrücke der nordischen Landschaft. Der in Holland tätige Deutsche Jan Ruyscher (1625-1675) hinterließ Landschaftsbilder, die auch Eindrücke aus Berlin und Brandenburg beinhalten. Herman van Svanefelt (ca. 1600-1655) war Schüler von Claude Lorrain und verarbeitete viele Motive italienischer Landschaften. Auffällig bei allen gezeigten Objekten war die präzise, ja geradezu pingelig genaue Darstellung aller Einzelheiten, vor allem auch beim Laubwerk. Ganz anders als bei den genannten Landschaftern sind Motive und Darstellungsweise von Adriaen van Ostade (1610-1684). Der auch als Bauernmaler bekannte Künstler zeigt auch in seinen Radierungen das dörfliche Milieu. Ostade war ein fleißiger und sorgfältiger Arbeiter, dessen Radierungen bis zu zwölf Zustände aufweisen. Die Pirckheimer bedankten sich für einen genußreichen Abend.
Ferdinand Puhe